Unser Gesundheitssystem ist derzeit einem grundlegenden Wandel unterworfen. Vor allem die demografische Entwicklung führt zu enormen Herausforderungen. Eine davon ist der Fachkräftemangel. Besonders betroffen ist der Bereich der Haus- und Facharztversorgung, bei dem es zunehmend zu Versorgungslücken kommt – auch im Landkreis Sonneberg. Das liegt im Wesentlichen daran, dass deutschlandweit immer mehr niedergelassene Ärzte in Rente gehen und zugleich – insbesondere im ländlichen Raum – zu wenig junge Mediziner nachrücken, die eine Praxis eröffnen oder übernehmen wollen. Dies wirkt sich auch in unserer Heimatregion negativ auf die Lebensqualität und Zukunftsperspektive aus.
Aus diesem Grund ziehen die Staatliche Berufsbildende Schule Sonneberg (SBBS), die Stadt Sonneberg und der Landkreis Sonneberg gemeinsam mit der hiesigen Ärzteschaft an einem Strang, um für diesen kritischen Lebensbereich nachhaltige Lösungsstrategien zu entwickeln. „Die Bekämpfung des Ärztemangels in unserer Region ist eine große Herausforderung, die von den relevanten Akteuren nur gemeinsam bewältigt werden kann. Gleichzeitig handelt es sich um ein sehr komplexes Problem, das nicht durch eine einzelne Maßnahme zu beheben ist. Vielmehr sind verschiedene kurz-, mittel- und langfristige Lösungsansätze erforderlich, die sich an den unterschiedlichen Ursachen des Problems orientieren. Hierbei packen wir in unserer Heimatregion nun gemeinsam an“, fasst Sonnebergs Bürgermeister Dr. Heiko Voigt zusammen.
Bündnis für medizinische Versorgung in der Region
Als kurzfristige Maßnahme hat man vor Ort zunächst die gegenseitige Abstimmung sowie die Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) und den ambulant tätigen Medizinern im Landkreis Sonneberg intensiviert. Die KVT als Dachorganisation der niedergelassenen Ärzte im Freistaat hat wiederum ihrerseits erste Aktivitäten eingeleitet, um von einer Praxisschließung betroffenen Menschen unbürokratisch zu helfen. Ergänzend gehen die Stadt und der Landkreis Sonneberg mittelfristige Maßnahmen an, um die medizinische Versorgung in der Region wirkungsvoll zu unterstützen. Der Fokus liegt hierbei auf der verstärkten Werbung um angehende Mediziner.
Praxistour durch KVT, Uniklinik Jena und Kreis
In enger Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Studiendekanat der Medizinischen Fakultät der Universität Jena wird der Landkreis im Frühjahr 2024 eine Praxistour mit Medizinabsolventen durchführen. Für das Projekt „Ärztescout Thüringen“ wurden bereits erste Planungen aufgenommen. „Ziel ist es, junge Mediziner für eine Praxisübernahme im Landkreis Sonneberg zu gewinnen. Im Rahmen der Tour wollen wir den Absolventen nicht nur infrage kommende Praxen vorstellen, sondern auch die Schönheit und die vielen Vorzüge unserer lebenswerten Region aufzeigen“, erläutert Landrat Robert Sesselmann.
Spielzeugstadt wird im Netz um junge Mediziner werben
Als eine der ersten Städte im Freistaat hat die Stadt Sonneberg überdies mit ihrem Beitrag an einer geplanten „Nachwuchswebsite zur ambulanten Versorgung“ der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen mitgewirkt. Auf dem gerade im Aufbau befindlichen Informationsportal der KVT werden die Vorzüge der Spielzeugstadt, die Bildungslandschaft, Infrastruktur, Wirtschaftsfaktoren usw. vorgestellt, um junge Medizinabsolventen über die Vorteile des ländlichen Raums zu informieren.
Neue Fachrichtung Medizintechnik an der SBBS
Als langfristig angelegte Maßnahme gegen den Fachkräftemangel im medizinischen Bereich der Region bringt die Staatliche Berufsbildende Schule Sonneberg (SBBS) die neue Fachrichtung Daten- und Informationstechnik mit der Spezialisierung Medizintechnik auf den Weg. Der zukunftsweisende Schwerpunkt wird im Rahmen eines Schulversuches im Beruflichen Gymnasium in der Fachrichtung Technik umgesetzt. Für das landesweit einzigartige Bildungsangebot liegt inzwischen die Genehmigung des Thüringer Bildungsministeriums vor und schon zum Schuljahr 2024/25 wird es losgehen. Die inhaltlichen Schwerpunkte werden aktuell überarbeitet und in den Lehrplan integriert. Die Begleitung erfolgt momentan durch das ThILLM und IT-Administratoren in gesundheitlichen Einrichtungen als Praxisexperten. Die Etablierung der neuen Fachrichtung reiht sich zudem passend in die vielfältigen örtlichen Initiativen zur Förderung der Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik ein. Bekanntlich engagiert sich die SBBS erfolgreich seit vielen Jahren im MINT-Cluster der Stadt Sonneberg.
„Die Bedeutung und Chancen des Schulversuches sind immens“, freut sich SBBS-Schulleiter Steffen Werner. „Die Ausbildungsrichtung Daten- und Informationstechnik mit der Spezialisierung Medizintechnik greift ein zentrales Zukunftsthema auf und schließt eine Bildungslücke für unsere Region und darüber hinaus. Unser neuer Schwerpunkt trägt den tiefgreifenden Veränderungsprozessen im Gesundheitssektor Rechnung, bei dem die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielt. Unser einzigartiges Angebot soll hier durch die gezielte Ausbildung von jungen Fachleuten unterstützen, die bei uns die allgemeine Hochschulreife erlangen.“
Durch die Digitalisierung müssen im Gesundheitsbereich neue Wege gegangen werden: Online-Sprechstunden, Telemedizin, elektronische Patientenakte und Gesundheits-Apps ergänzen den traditionellen Arztbesuch. Diese Aspekte greift die neue Fachrichtung am Beruflichen Gymnasium der SBBS erstmalig in Thüringen auf. Denn Grundvoraussetzung für ein Gelingen dieses Prozesses ist speziell qualifiziertes Personal. Insofern ist der Schulversuch ein entscheidender Faktor, um in der Region eigenen medizinischen Nachwuchs auszubilden und auch auf diesem Weg dem Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich langfristig entgegenzuwirken.